Sonntag, 16. August 2015

Männer im Baumarkt oder: Schleifen für Fortgeschrittene

Manchmal muss ich mich über meine Dickköpfigkeit wundern. Ja, diese Veranlagung, etwas nicht aufzugeben, bis der Beweis des Scheiterns auf der Hand liegt. So geschehen beim Schleifen des Gepäckfachs. Als ich die Karosserie zum Sandstrahlen brachte, musste ich bei der alten Vespa noch vier Teile ausbauen. Statt auch sie dem Sandstrahler zu überlassen, entschloss ich mich, sie von Hand zu entlacken und anzuschleifen. So schwer konnte das ja nun auch nicht sein.
Schnell war der alte Warenhaus-Handrutscher (wozu haben wir denn sowas?!) aus dem Heimwerk-Gerät-Dornröschenschlaf gezerrt und ein Verlängerungskabel verlegt. Doch Moment! Wo waren die Spezialschleifblätter, die Gehörschützer und die Staubmaske? Und was würden die Nachbarn denken, wenn ich in der hochheiligen samstäglichen Mittagsruhe mit einem 94-Dezibelgerät dem Lack zu Leibe rücken würde? Ich entschloss mich derweil, ins Gewerbegebiet zu fahren um dort einen Baumarkt! aufzusuchen. Der Besuch eines solchen sei dem Genderforscher wärmstens empfohlen, besonders samstags. Denn dann strömen sie in Scharen in den Baumarkt, die urplötzlich Kind gewordenen Familienväter mittleren Alters. Sie alle sind auf der Suche nach Herausforderungen – und bärenstarken Geräten, mit deren Hilfe sie ihre Männlichkeit so richtig ausleben können. Reinhard Mey hat ihnen eine wundervolle Hymne geschrieben.


Sie darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, lief sie mir doch während meines gesamten Baumarktaufenthalts nach.

Eigentlich suchte ich Schleifpapier, einen Kapselgehörschutz (oder Pamir, wie sich das Ding scherzhaft nennt) und eine Staubmaske. Eigentlich. Doch – ich muss es zugeben – die Vielfalt des Angebots zog mich schnell in seinen Bann. Was muss das für ein Laden sein, in dem es den Schwing-Deltaschleifer »FDS140« mit einer Leistung von 260 Watt (169.-) ebenso zu kaufen gibt wie den Kaminofen »Rügen« (2'699.-) oder den Briefkasten »Gandria« (299.-)?

Über eine Stunde verbrachte ich im Baumarkt um dann, 50 Franken ärmer aber um ein Metall-Schleifpapierset reicher geworden, auf den Vorplatz zurückzukehren.

Dort stand auch schon Filomena, unsere sardische Nachbarin. Auch ihr Vater habe eine Vespa besessen, erzählte sie mir mit strahlenden Augen. Und ihr Mann, Efisio sei eine Lambretta gefahren als er sie kennenlernte. Damals, vor über 50 Jahren im Umland von Cagliari. Wir gingen einige Male um die Vespa herum, ich erklärte ihr mein Vorhaben. »Eiei, tanto lavoro eh«, meinte sie mit einem Lachen. Sie würde recht behalten.

Ich montierte ein 60er Schleifblatt und machte mich an's Werk. Nach drei Stunden sah's dann so aus. 




Fortsetzung folgt.

Montag, 10. August 2015

Sandgestrahlt und blankgescheuert

Vorher
Nachher
Nach drei Wochen ist es soweit. Die Karrosserie, das "Häuschen" der Vespa, ist fertig sandgestrahlt und bereit für die Lackierung. Die Farbe sei an dieser Stelle noch nicht verraten...
250 Franken hat es gekostet - eine lohnende Investition. Denn eine solche Fläche sauber abzuschleifen hätte wohl mehr als einen Sommer in Anspruch genommen.

Montag, 27. Juli 2015

Ich kann fliegen, ja, ich kann!

Ich geb's zu. Ich brachte es nicht übers Herz. Ich konnte meine Vespa nicht zerlegen, ohne sie nochmal gefahren zu haben.

Es war kein Leichtes, im Land der grenzenlosen Vorschriften einen Ort zu finden, an dem ich übermütiges 17-jähriges Bubi ohne Führerschein gefahrlos fahren konnte. Immerhin, so erzählte mir vor Kurzen ein Kollege, drohe Unter-18-Jährigen bei Fahrten ohne Führerschein ein Führerschein-Moratorium von 5 Jahren. Ein absolutes Horror-Szenario. Denn: Noch länger warten geht wirklich nicht!! ;-)
Doch wo findet ein Übermütiger nun einen Platz für sein Vorhaben? Quartierstrassen und öffentliche Parkplätze fallen ebenso außer Betracht wie Feldwege mit Fahrverbot. Und auf dem Parkplatz vor dem Haus üben - das hätten die Nerven meiner Mutter nicht mitgemacht. Der Schock eines beinahe missglückten Anfahrversuchs (der Benzinhahn war zu und der Motor machte einen Riesensatz) in der Tiefgarage sitzt allen Familienmitgliedern noch immer tief in den Knochen. Ja, Wespen sind wahrlich schwer zu zähmen.

Kühn wie ich bin organisierte ich mir beim Töffladen nebenan einen gebrauchten Helm zum Ausleihen – und wurde nach eingehender Schilderung meines Problems vom Ladenbesitzer nicht einmal schräg angeschaut. Es gibt also noch mehr Bubis wie mich, mit Benzin im Blut. Ohne mit der Wimper zu zucken nahm er mich in die Kundenkartei und überließ mir den Helm. Kostenfrei.


Frohen Mutes stand ich also am vergangenen Samstag mit den Hühnern auf und schob meine 120 Kilo schwere Vespa an die vier Kilometer entfernte Stadtgrenze. Der Zweck heiligt die Mittel. Und ich will gar nicht hören, was die Passanten hinter meinem Rücken tuschelten. Ihre Blicke sagten schon genug.


Auf den Feldweg beim Tierheim Arche traute ich mich nicht, denn die Hüter des Gesetztes lauern bekanntlich überall. Und wenn nicht, dann gibt es immer noch sie. Sie, die Blumengieser-Bünzlis, die Mitläufer, die sich ihre Gedanken machen, wenn ein Jüngling ohne Nummernschild mit einer Vespa auf dem Feldweg herumtuckert, noch dazu mit einem Tschinggen-Töffli!!


Bei der städtischen Kompostieranlage fand ich endlich einen Platz, auf dem ich in Ruhe üben konnte. Nach dem zweiten Kick sprang die Vespa an, mit viel Gefühl ließ ich den Bremshebel los und gab leicht Gas. Langsam setzte sich das Gefährt in Bewegung. Nach kurzer Zeit war der erste Gang aufgebraucht, ich schaltete in den zweiten. Alles klappte wunderbar.

Erst nach einer Weile fiel mir der Schrebergarten auf der anderen Platzseite auf. Ich befürchtete Schlimmeres. Ein Gartenzwerg-Bünzli, verärgert über den Zweitakt-Lärm eines Tschinggen-Töfflis? Vorsichtig fragte ich ihn, ob ihn der Lärm störe »r«, das nur Oberländer sagen können. Er erklärte sich sogar dazu bereit, mir ausnahmsweise die Kompostieranlage zu öffnen. »Dann hast du etwas mehr Platz«, meinte er und grinste. Wieder ein Benzin-Bubi. Herrlich.

Die Kompostieranlage war ein Glücksfall, ein Öko-Nürburgring sozusagen. Ungestört konnte ich meine Runden drehen. Schalten, bremsen. Alles war viel einfacher als gedacht. Ich drehte das muntere Motörchen hoch, schaltete vom zweiten in den dritten Gang flitzte mit 60 Sachen zwischen den Erdhügeln hindurch. Es fühlte sich an wie fliegen. Wunderbar. Eine Vespa eben.







Sonntag, 26. Juli 2015

Das Geschäft mit den Oldtimern

Apropos Profit aus Wespen schlagen: Hier ein interessanter Bericht über Oldtimer als Wertanlage. Was für englische Luxuskarossen gilt, gilt auch für Vespi: Sie gehören auf die Strasse und nicht in eine Vitrine an der Goldküste!

Nicht alles, was rentiert, ist vernünftig!

Nach etlichen Stunden Friemelei — die ingenieri in Pontedera hatten sich alle Mühe gegeben — war die Karosserie endlich teilefrei. Komisch sah sie aus, so nackt. Doch gerade im entblößten Zustand zeigt sich das raffinierte Design von Corradino d'Ascanio. Das geschwungene Beinschild, die durchdachte Form des Hinterteils – mit etwas Fantasie erkenne ich Ähnlichkeiten mit dem Körper einer Wespe. 
Sandstrahlen: wenn schon, denn schon

Anfangs wollte ich die Karosserie abschleifen. Doch schon nach wenigen Klicks durch die Foren sagte ich mir: Vergiss es. Viel zu groß der Aufwand, viel zu ungenau die Methode. Lösung des Problems: Sandstrahlen. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass mein Bruder (13, angehender Sekundarschüler und handwerklich ein Vielfaches geschickter als ich) gerade ein altes Herrenrad zerlegt. Auch er hat Freude an alten Dingen. Und auch er stellte sich dieselbe Frage – und kam zur selben Lösung: Sandstrahlen.
Für einmal herrschte Einigkeit unter den Brüdern, wir fuhren nach Rhäzüns. Zur Pulverbeschichtung Diener AG.

Herr Diener lächelte müde beim Anblick der Blechteile. »Öfters« werde er von »Bastlern« aufgesucht (er hob die Brauen). Er gebe ihnen jeweils einen einfachen Rat: »Gehen Sie zu Vespa Sinatra nach Domat/Ems, der hat den Laden gestopft voll mit Vespen. Kaufen Sie eine für 3000, dann ist gut.« Ja ja, dachte ich mir. Der Weg ist das Ziel. Umso mehr auf einem maximal 90 Kilometer schnellen und eigentlich nicht in unsere Zeit passenden Gefährt. Aber dazu später mehr.
Ich ließ mich nicht entmutigen und gab eine Sandstrahlung für 250.- in Auftrag.

»Die Neuen sind keine gute Geldanlage«


Auf dem Rückweg von Rhäzüns machte ich noch bei der Garage Sinatra in Domat/Ems halt. Sinatra (ja, er heißt wirklich so) ist d e r Vespa-Händler im Kanton. Ich schaute mich ein wenig um, Herr Diener hatte recht behalten: Die ganze Bude war vollgestopft mit Vespen, Apes und allerlei Raritäten. Ich erklärte dem Chef, Toni Sinatra, mein Problem. Sandstrahlen, neu lackieren und wieder zusammensetzen? »Das lohnt sich nie«, meinte er und schüttelte den Kopf. Aha. Wann lohnt es sich denn, fragte ich ungeduldig. »Bei den alten, den Primaveras, den 50ern. Die sind gefragt, weil sie nicht mehr hergestellt werden. Das ist eine gute Geldanlage. Wenn man die einmal restauriert hat, kann man sie für 6000, 7000 oder noch mehr Franken verkaufen.« Er riet mir, eine neue Serien-PX zu kaufen. »Der Euro ist so tief, da kriegen Sie sie für weniger als 4500 Franken. Neu.« Ich bedankte mich für die Auskunft, warf dem Franky-Sinatra-Plakat an der Garagenwand einen letzten Blick zu und fuhr enttäuscht nach Hause. Nicht alles, was rentiert, ist vernünftig. Ihr werdet schon sehen. 

Dienstag, 21. Juli 2015

Los geht's

Jetzt geht’s endlich los. Mit einem Steckschlüsselsatz bewaffnet betrete ich den Vorplatz. Dort steht sie, die alte Dame, ihrer Seele, dem Zweitakt-Motor beraubt. Wo soll ich anfangen? Gleich ran ans Eingemachte, oder erst an den Einzelteilen schrauben?
Ratlos kratze ich mich am Kopf, und stolpere dabei fast über die Einmachgläser, die ich in weiser Voraussicht auf den Vorplatz gestellt habe. Man will ja ordentlich sein. Ich fasse mir ein Herz, montiere Stecknuss Nr. 3 und löse die Lenkerkopfschraube. Sie befindet sich an der Halsschlagader einer jeder Vespa. Denn hier läuft alles Lebenswichtige zusammen: Bremszug, Gaszug, Kupplungszug, Blinker, Scheinwerfer, Hupe, Bremslicht, Zündung. Dementsprechend gross ist die Verwirrung nach dem Abschrauben des Lenkers. Nach einer Weile sind alle Kabel beim Lenker ausgekoppelt. Sieht nach einem Haufen Arbeit aus. Mal sehen.




Montag, 20. Juli 2015

Karosserie eingetroffen!

Anfangs glaubte ich, die Karosserie meiner Vespa instand stellen zu können. Sie sah zwar etwas mitgenommen aus, doch ich war optimistisch. Zu optimistisch, denn der vorherige Besitzer, ein netter Herr aus Schänis/SG, hatte die Karosserie nach eigenen Aussagen «zubröötle loh», sprich einige Roststellen schweißen lassen. Zudem war das Beinschild verbeult.


Andrea von den Vespa-Fratelli Chur lächelte müde, als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte. Das lohne sich nie, meinte er und rechnete mir sogleich die Kosten vor: satte 1500 Franken, allein für die Spenglerarbeiten. Er schlug mir kurzerhand vor, den Motor auszubauen und ihn in ein neues «Hüsli» (eine neue Karosserie) zu stecken. Zufälligerweise lagerte schon lang eine bei ihm im Keller. Ein echter Profi eben.

Kurz und gut, ich konnte die Karosserie einer schneeweißen PX neueren Datums für wenig Geld übernehmen. Wie auf dem Bild ersichtlich befindet sie sich in wesentlich besserem Zustand.
Andrea verkaufte mir auch noch einen Tuning-Auspuff. «Dann läuft sie schöner», meinte er lachend. An dieser Stelle sei ihm nochmals herzlich für seine Unterstützung gedankt. 
Und jetzt: ab an's Werk.