Montag, 27. Juli 2015

Ich kann fliegen, ja, ich kann!

Ich geb's zu. Ich brachte es nicht übers Herz. Ich konnte meine Vespa nicht zerlegen, ohne sie nochmal gefahren zu haben.

Es war kein Leichtes, im Land der grenzenlosen Vorschriften einen Ort zu finden, an dem ich übermütiges 17-jähriges Bubi ohne Führerschein gefahrlos fahren konnte. Immerhin, so erzählte mir vor Kurzen ein Kollege, drohe Unter-18-Jährigen bei Fahrten ohne Führerschein ein Führerschein-Moratorium von 5 Jahren. Ein absolutes Horror-Szenario. Denn: Noch länger warten geht wirklich nicht!! ;-)
Doch wo findet ein Übermütiger nun einen Platz für sein Vorhaben? Quartierstrassen und öffentliche Parkplätze fallen ebenso außer Betracht wie Feldwege mit Fahrverbot. Und auf dem Parkplatz vor dem Haus üben - das hätten die Nerven meiner Mutter nicht mitgemacht. Der Schock eines beinahe missglückten Anfahrversuchs (der Benzinhahn war zu und der Motor machte einen Riesensatz) in der Tiefgarage sitzt allen Familienmitgliedern noch immer tief in den Knochen. Ja, Wespen sind wahrlich schwer zu zähmen.

Kühn wie ich bin organisierte ich mir beim Töffladen nebenan einen gebrauchten Helm zum Ausleihen – und wurde nach eingehender Schilderung meines Problems vom Ladenbesitzer nicht einmal schräg angeschaut. Es gibt also noch mehr Bubis wie mich, mit Benzin im Blut. Ohne mit der Wimper zu zucken nahm er mich in die Kundenkartei und überließ mir den Helm. Kostenfrei.


Frohen Mutes stand ich also am vergangenen Samstag mit den Hühnern auf und schob meine 120 Kilo schwere Vespa an die vier Kilometer entfernte Stadtgrenze. Der Zweck heiligt die Mittel. Und ich will gar nicht hören, was die Passanten hinter meinem Rücken tuschelten. Ihre Blicke sagten schon genug.


Auf den Feldweg beim Tierheim Arche traute ich mich nicht, denn die Hüter des Gesetztes lauern bekanntlich überall. Und wenn nicht, dann gibt es immer noch sie. Sie, die Blumengieser-Bünzlis, die Mitläufer, die sich ihre Gedanken machen, wenn ein Jüngling ohne Nummernschild mit einer Vespa auf dem Feldweg herumtuckert, noch dazu mit einem Tschinggen-Töffli!!


Bei der städtischen Kompostieranlage fand ich endlich einen Platz, auf dem ich in Ruhe üben konnte. Nach dem zweiten Kick sprang die Vespa an, mit viel Gefühl ließ ich den Bremshebel los und gab leicht Gas. Langsam setzte sich das Gefährt in Bewegung. Nach kurzer Zeit war der erste Gang aufgebraucht, ich schaltete in den zweiten. Alles klappte wunderbar.

Erst nach einer Weile fiel mir der Schrebergarten auf der anderen Platzseite auf. Ich befürchtete Schlimmeres. Ein Gartenzwerg-Bünzli, verärgert über den Zweitakt-Lärm eines Tschinggen-Töfflis? Vorsichtig fragte ich ihn, ob ihn der Lärm störe »r«, das nur Oberländer sagen können. Er erklärte sich sogar dazu bereit, mir ausnahmsweise die Kompostieranlage zu öffnen. »Dann hast du etwas mehr Platz«, meinte er und grinste. Wieder ein Benzin-Bubi. Herrlich.

Die Kompostieranlage war ein Glücksfall, ein Öko-Nürburgring sozusagen. Ungestört konnte ich meine Runden drehen. Schalten, bremsen. Alles war viel einfacher als gedacht. Ich drehte das muntere Motörchen hoch, schaltete vom zweiten in den dritten Gang flitzte mit 60 Sachen zwischen den Erdhügeln hindurch. Es fühlte sich an wie fliegen. Wunderbar. Eine Vespa eben.







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